ENGLISH (GERMAN BELOW):
Focus for 2023 is my master thesis about lichens. And more specific: How everyday lichens are narrated and what they tell us by themselves?
Initially, gardeners are concerned when they discover them on their fruit trees, but after a short investigation it is obvious: lichens are not dangerous.
The fungus-alga-cyanobacterium compound – unremarkable as it is - can be found everywhere in a wide variety of shapes and colours.
This symbiont, as one of the first life forms on this earth (and presumably one of the last), has so far received limited attention in the field of cultural studies. As a metaphor for love, fate or exploitation, symbiosis provides scope for interpretation in art and literature, and quite a bit is known about the historical reappraisal of taxonomy on lichens, but what is about beyond „higher“ culture and science?
Methods and experiments to get closer to other species
Data collection
There are several books about the methodology of multispecies studies and narrative research. The data collection is also comprehensible in terms of craftsmanship... until it comes to the perspective of the lichen. How am I supposed to do that? Strapping a camera to a dog and recording its daily life is one thing. - Watching lichen grow another. Knowledge from biology is the key to interpreting the lichen's behaviour accordingly. There are ideas of getting closer to other species through artistic methods. - I disagree with that. Or rather, the labelling of methods as "artistic" gets a difficult taste, because it connects two traditions that are given interpretative sovereignty from different directions and exclude an argumentation in my opinion.
The situation is different when I use artistic cultural techniques such as exhibitions and performances to enter into conversation with people about lichen. (In this case, these techniques can be understood as cultural probes). The representation on Instagram is also part of it, as well as the regular informing via the blog.
Data analysis
This can also be useful when interpreting ethnographic data. There, artistic craft (in my case photo/video collage, poetry) can definitely reveal connections and patterns that I would not see from a just written approach. ( This year, an article about this will also appear in the volume of the last student symposium in Würzburg). - It is important to mention, however, that we are not talking about artworks designed for the public. The visual/textual sketches therefore serve to illuminate an issue again and again, to re-roll the dice and see if something new emerges.
Presentation of results
In order to be able to depict the topic using appropriate methods, the focus of the presentation is on ethnographic writing and a film product. It is not yet clear exactly what this will be.
Why lichens and less design research now?
This is my fourth academic thesis now ... and the first three were all about design. I think it's time for something new. :)
At the same time, I can distance myself a bit from elite research, which had helped me understand the past but made me absolutely not happy. - I wanted to do a second study to get out of the design bubble. Studying design as a research subject is important and remains part of my work, but at the same time I have also realised over the years that I can't maintain the attitude. I see art_design as a craft and economic system, not as a lifestyle or identity to be celebrated.
The consideration was to see if I could prove with my work about and with design that there is "good" design. The answer after my years of research and investigation: there is no such thing. Design is the daughter of capitalism. At the same time, design research and artistic research is no less in a classist position than other disciplines - probably even worse, because here the "genius concept" and the attribution and denial of artistic experience also follow a marketing strategy. - If a design doesn't work, it's art....
My own social background, from which I come and which I also relate to, stands in my way. I don't feel comfortable around the so-called high culture. I never had. Many perspectives I can analyse, but I don't support them. (Which has nothing to do with people, designers are also just trying to survive in their precarious position).
So how to deal with academic pressure? The change of perspective to the lichen, not the method or cultural practice, makes many things more agreeable. The project offers the possibility to combine the methods and perspectives from the last few years of study and to allow actors to speak and be seen who otherwise have no voice or visibility. Lichen, house walls, gardeners, painters, street cleaners. Everything is quieter, less exploitative and noisy. And that is good.
GERMAN:
Schwerpunkt für 2023 ist meine Masterarbeit über Flechten. Genauer gesagt: Wie werden alltägliche Flechten beschrieben und was erzählen sie uns von sich aus?
Gärtner:inne sind zunächst beunruhigt, wenn sie sie auf ihren Obstbäumen entdecken, aber nach einer kurzen Recherche ist klar: Flechten sind nicht gefährlich.
Die Pilz-Algen-Cyanobakterien-Verbindung - so unscheinbar sie auch ist - ist überall in den unterschiedlichsten Formen und Farben zu finden.
Als eine der ersten Lebensformen auf der Erde (und vermutlich eine der letzten) hat dieser Symbiont in der Kulturwissenschaft bisher wenig Beachtung gefunden. Als Metapher für Liebe, Schicksal oder Ausbeutung bietet die Symbiose Raum für Interpretationen in Kunst und Literatur. Auch über die historische Aufarbeitung der Taxonomie der Flechten ist einiges bekannt, aber was ist jenseits der "höheren" Kultur und Wissenschaft?
Methoden und Experimente, um sich sich anderen Spezies anzunähern
Datenerhebung
Es gibt einige Bücher zur Methodologie der Multispecies Studies und der Erzählforschung. Die Datenerhebung ist auch soweit handwerklich nachvollziehbar... bis es um der Perspektive der Flechte geht. Wie soll ich das machen? Einem Hund eine Kamera umzuschnallen und seinen Alltag aufzuzeichnen, ist eine Sache. - Flechte beim wachsen zuzusehen eine andere. Wissen aus der Biologie ist da der Schlüssel, um das Verhalten der Flechte entsprechend zu deuten. Es gibt die Vorstellungen, anderen Spezies durch künstlerische Methoden näher zu kommen. - Dem widerspreche ich vehement. Bzw. bekommt die Benennung von Methoden als "künstlerisch" einen schwierigen Beigeschmack, denn es verbindet zwei Strömungen, die aus verschiedenen Richtungen mit Deutungshoheit ausgestattet sind und eine Argumentation aus meiner Sicht ausschließen.
Anders sieht es aus, wenn ich künstlerische Kulturtechniken wie Ausstellungen und Performances dazu nutze, um mit Menschen ins Gespräch über Flechten zu kommen. (Diese Techniken können in dem Falle als cultural probes verstanden werden.) Auch die Darstellung auf Instagram gehört dazu, sowie das regelmäßige Informieren über den Blog.
Datenanalyse
Bei der Interpretation ethnografischer Daten kann das auch nützlich sein. Da kann das künstlerische Handwerk (in meinem Fall Foto-/ Videocollagen, Poesie) durchaus Verbindungen und Muster aufdecken, die ich aus einer rein verschriftlichten Annäherung nicht sehen würde. (Dazu erscheint dieses Jahr auch ein Beitrag im Tagungsband der letzten StudiTagung in Würzburg.) - Dabei ist aber wichtig zu erwähnen, dass es nicht um Kunstwerke geht, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Die visuellen/ textuelen Skizzen dienen also dazu einen Sachverhalt immer wieder neu zu beleuchten, neu zu würfeln und zu schauen, ob sich etwas neues ergibt.
Ergebnisdarstellung
Um das Thema mit entsprechenden Methoden auch abbilden zu können, liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf dem ethnografischen Schreiben und einem filmischen Produkt. Was genau, wird sich noch rausstellen.
Warum jetzt Flechten und weniger Designforschung?
Das ist jetzt meine vierte akademische Abschlussarbeit... und die ersten drei beschäftigten sich alle Design. Ich glaube, es ist Zeit für etwas neues. :)
Gleichzeitig kann ich mich etwas von der Elitenforschung distanzieren, die mir zwar geholfen hatten, vergangenes zu verstehen, aber mich absolut nicht glücklich macht. - Ich wollte ein Zweitstudium machen, um aus der Designbubble herauszukommen. Design als Forschungsgegenstand zu untersuchen ist wichtig und bleibt auch Teil meiner Arbeit, aber gleichzeitig habe ich über die Jahre auch gemerkt, dass ich die Attitüde nicht pflegen kann. Ich sehe Kunst_Design als Handwerk und wirtschaftliches System, nicht als Lebensstil oder Identität, dass man feiern sollte.
Die Überlegung war, ob ich mit meiner Arbeit über und mit Design beweisen kann, dass es "gutes" Design gibt. Die Antwort nach meiner Jahre langen Recherche und Forschung: Das gibt es nicht. Design ist die Tochter des Kapitalismus. Gleichzeitig ist Designforschung und Künstlerische Forschung nicht weniger klassistisch aufgestellt, wie andere Disziplinen - vermutlich sogar schlimmer, weil hier noch der "Genie-Begriff" und das Zusprechen und Absprechen von künstlerische Erfahrung auch einer Vermarktungsstrategie folgt. - Wenn ein Design nicht funktioniert, ist es Kunst....
Mein eigenes Mileu, aus dem ich komme und zu dem ich auch stehe, steht mir im Weg. In der Hochkultur fühle ich mich nicht wohl. Hab ich nie. Viele Ansichten kann ich zwar analysieren, aber unterstützen tue ich sie nicht. (Was nichts mit den Menschen zu tun hat, Gestalter:innen versuchen auch nur in ihrer prekären Lage zu überleben.)
Wie also mit dem akademischen Druck umgehen? Der Perspektivwechsel zur Flechte, nicht zur Methode oder kulturellen Praxis macht vieles angenehmer. Das Projekt bietet die Möglichkeit, die Methoden und Perspektiven aus den letzten Jahren Studium zu verbinden und dabei Akteur:innen zu Wort und Bild kommen zu lassen, die sonst keine Stimme, Sichtbarkeit haben. Flechten, Hauswände, Gärtner:innen, Maler:innen, Straßenreinigungskräfte. Es ist alles stiller, weniger manisch und laut. Und das ist gut.